Die Digitalisierung greift tief in die innersten Prozesse unseres Lebens, unserer Familie, unserer Gemeinschaften, unserer Gesellschaft hinein. Digitalisierung ist ein zentraler Einflussfaktor für die Gesellschaft von heute, morgen und übermorgen.

Wir sollten heute die Grundsteine für eine unabhängige und kompetente digitale Bildung legen. Ziel ist nicht das bloße Bedienen und Nutzen von Systemen und Programmen. Ziel ist das Gestalten, Schöpfen, Schaffen und Machen – ganz im Sinne der Tüftler und Macher, auf deren Erbe wir gerne zurückschauen.

Die Art und Weise, wie unsere Schüler:innen mit Software umgehen – und mit welcher Software sie umgehen – bestimmt nachhaltig, welche Fähigkeiten sie entwickeln können. Verstehen Sie Konzepte wie Formatvorlagen, Dateitypen und Netzwerkprotokolle oder verbleiben sie auf dem benutzungsfreundlichen Niveau des rein kommunikativen, innerhalb eines geschlossenen Ökosystems aus Anwendungen eines Monopolisten? Nehmen Sie Datenschutz als ein ihnen eigenes Recht wahr oder erfahren sie, dass Datenschutz unwichtig und lediglich der Bequemlichkeit hinderlich ist?

Entscheiden wir uns als Gesellschaft, Schüler:innen bereits von Beginn an den Eindruck zu vermitteln, dass die Beschäftigung mit einem Dateiformat oder der Wechsel eines Werkzeugs „unusable“, kompliziert und hinderlich ist, dürfte die Wahrscheinlichkeit drastisch sinken, dass Schüler:innen hinter die Kulissen eines Systems schauen möchten. Der damit transportierte Eindruck ist: „Was Mühe macht und Verständnis erfordert muss man nicht benutzen“. Damit werden letztlich Werte wie Neugierde, Verständnis und kritische Bewertung von Softwaresystemen der Bequemlichkeit untergeordnet.

Ähnliche Gewöhnungseffekte sind in Bezug auf Datenschutzaspekte zu erwarten: Wenn wir unseren Schüler:innen stets vorleben, dass Datenschutz ein „Hindernis“ ist und das ja „alles nicht so wild ist“, solange man nichts zu verbergen hat, prägen wir mit diesem Verhalten die Einstellung der kommenden Generationen zu diesen Aspekten.

Was würden wir in 20 Jahren erwarten, wie sich diese Schüler:innen von heute verhalten, wenn sie es sind, die Entscheidungen treffen müssen, welche Softwaresystem welches Herstellers in welcher Weise eingesetzt werden sollen – und welche Datenflüsse dabei als akzeptabel angesehen werden?

Das Gegenprogramm heißt Vielfalt: Schüler:innen sollten unserer Meinung nach Gelegenheit haben, möglichst viele Systeme, Programme und Plattformen zu erleben. Um die großen Player und die Monopolisten muss sich die Schule hier nicht kümmern – damit kommen die Schüler:innen zwangsläufig in Kontakt.
Aufgabe der Schule ist es unseres Erachtens, dass Schüler:innen Alternativen nutzen, kennen- und beherrschen lernen. Auf diese Weise erfahren sie, dass es Alternativen gibt. Diese Alternativen dürfen sogar etwas umständlicher sein, wenn damit grundlegende Erfahrungen und Kenntnisse vermittelt werden können: Eine Cloud, die keine Daten auswertet oder weitergibt, ein Mailsystem das die Mails nicht nach Schlüsselwörtern scannt – und dennoch die Erkenntnis, dass ein:e Adminstrator:in Dateien in der Cloud sehen kann – und was man als Nutzer tun kann, das zu verhindern.

Lehren aus Vergangenheit & Gegenwart

Ein Beispiel aus der Vergangenheit: Um das Jahr 2000 herum startete Intel die Initiative „Intel – Lehren für die Zukunft“ – eine Fortbildungsreihe für Lehrer:innen. Alle Teilnehmenden erhielten ein „Softwarepaket“, das vor allem aus dem damals aktuellen MS Office 2000 Pro bestand. Wenn Sie heute die Generation der damaligen Berufsanfänger befragen, welche Bürosoftware Sie verwenden – und warum – erhält man wenig überraschende Antworten.

Gleiches gilt für die Verwendung von MS Office in der Schule: Zunächst ist es in der Schule „der Standard“, die Schüler:innen bekommt die Lizenz kostenfrei, als Stundent:in gibt es eine Campuslizenz – und nach 20 Jahren hat der Nutzer fast keine realistische Möglichkeit mehr, ein anderes Produkt zu verwenden. Praktisch alle Dokumente liegen in einem schlecht dokumentierten, proprietären Format vor und grundlegende allgemeine Kenntnisse zu „Textverarbeitung“ hat fast niemand, was einen Wechsel ungemein erschwert.

Welche Folgen wird es haben, wenn alle unsere Schüler:innen wie selbstverständlich ein iPad erhalten und sich damit der vollständigen Kontrolle ihres Geräts durch den Hersteller unterwerfen? Werden Menschen mit dieser technischen Entwicklungsgeschichte es noch als ihr Recht wahrnehmen, mit einem gekauften Gerät tun zu dürfen, was sie möchten, oder finden sie das dann ganz natürlich, dass sie bestimmte Programme nicht ausführen dürfen, weil der Hersteller dies nicht erlaubt?

Fazit

Die flächendeckende Einführung bestimmter Software, Geräte oder technologischen Ökosysteme bereits in der Schule kann unsere künftige Abhängigkeit als Gesellschaft von Produkten und Regeln einzelner Hersteller stark beeinflussen – wir müssen uns die Frage stellen, ob und inwieweit wir das wirklich wollen.