Zum 20. Mal wurden am 18.09.2020 die „Big Brother Awards“ verliehen. Einen „Oscar für Missachtung von Datenschutzinteressen“ hat – aus unserer Sicht vollkommen zurecht – auch Frau Eisenmann und ihr Team der Stabsstelle Digitalisierung aus dem Kumi Baden-Württemberg erhalten.
In der ausführlichen Begründung bei den BBA ist noch einmal schön zusammengefasst, was für ein nicht wieder gut zu machender Fehler die Entscheidung des Ministeriums unter Frau Eisenmann wäre, die Firma Microsoft in den Betrieb einer „Bildungsplattform“ für die Lehrer und Schüler in Baden-Württemberg einzubinden.
Auch die „amüsierte“ Reaktion der Ministerin in der Stuttgarter Zeitung kann nicht über die Probleme hinwegtäuschen – dort werden nur die bereits bekannten politischen Ausflüchte wiederholt. Überdies ist die Darstellung der Sachlage in der Begründung des BBA, anders als Frau Eisenmann in der StZ behauptet, akkurat und wahrheitsgemäß.
Nach Auskunft des Kultusministeriums ist eine Entscheidung über die Ausgestaltung der Bildungsplattform noch gar nicht getroffen worden. Grundfalsch sei zudem, dass die digitale Bildungsplattform von Microsoft betrieben werden soll.
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.datenschutz-preis-big-brother-award-fuer-eisenmann.d5709bfa-3f74-4492-be9e-59eac73b06cd.html
Die Ausführungen auf den Seiten des BBA behaupten an keiner Stelle, dass die Entscheidung bereits getroffen worden sei, der Award wird vergeben weil Frau Eisenmann „wesentliche Dienste der Digitalen Bildungsplattform des Landes von Microsoft betreiben lassen will“, und das entspricht den Tatsachen.
Nun zu sagen, dass „die Bildungsplattform nicht von Microsoft betrieben werden soll“ ist zwar formal richtig, weil die „Bildungsplattform“ noch andere Bestandteile umfassen soll als eine Bürosoftware, ändert aber nichts an den Gründen, die zur Verleihung des BBA geführt haben[1]Ein schönes Beispiel für ein überspezifisches Dementi.
Die Fakten bleiben:
Natürlich ist die Entscheidung zur endgültigen Ausgestaltung der „Bildungsplattform“ noch nicht gefallen, aber die Äußerungen des Verantwortlichen der Stabsstelle sowohl in der Sitzung des Bildungsausschusses im Landtag als auch auf Twitter lassen nur wenig Zweifel am erklärten Ziel, MS365 an den Schulen in Baden-Württemberg als Standard zu implementieren.
In vielen Tweets verteidigt der Leiter der Stabsstelle diese Planungen vehement und nimmt damit die Entscheidung praktisch vorweg. Vielleicht war die Recherche für diese Preisverleihung also – anders als die Ministerin in der StZ zu Protokoll gibt – besonders gründlich.
Die im Artikel wiederholte Argumentation, dass der LfDI „frühzeitig eingebunden“ wurde, wird durch die ständige Wiederholung nicht wertvoller, und wertlos ist sie deshalb, weil das Kultusministerium keine Gelegenheit auslässt, klarzustellen, dass es ein ablehnendes Votum des LfDI als nicht bindend erachten würde – zuletzt ganz offiziell auf den Seiten des Ministeriums:
Rein rechtlich muss der LfDI einem Einsatz von MS Office 365 nicht zustimmen.
https://km-bw.de/,Lde/Startseite/Service/2020+08+27+MS+Office+365
Mit der folgenden Äußerung in der StZ bestätigt die Ministerin indirekt, dass eine Entscheidung für den Einsatz von MS365 zumindest sehr wahrscheinlich ist. Die Aussagen zeigen aber auch, dass die Verantwortlichen am Ministerium mit der Materie nur unzureichend vertraut sind – oder mit Absicht die Unwahrheit sagen – da der Ort der Datenspeicherung für große Teile der bestehenden Problematik nicht relevant ist.
Die zur Auswahl stehende Version werde auf jeden Fall speziell für die Bedürfnisse der digitalen Bildungsplattform konfiguriert, sodass beispielsweise sichergestellt sei, „dass eine Speicherung von Daten nicht außerhalb des Geltungsbereichs der Datenschutzgrundverordnung erfolgt“.
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.datenschutz-preis-big-brother-award-fuer-eisenmann.d5709bfa-3f74-4492-be9e-59eac73b06cd.html
Letztlich werden wir am Ende des Prozesses am Ergebnis sehen, ob der BBA gerechtfertigt war – damit wird dann auch Wahrheitsgehalt und Intentionen früherer Pressemitteilungen und Zeitungsberichte unzweifelhaft geklärt werden können.
↑1 | Ein schönes Beispiel für ein überspezifisches Dementi |
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In Freiburg sind gerade einige Schulen von der Schadsoftware Emotet hart getroffen – es dürften nicht die einzigen sein und bleiben. Statt digitaler Bildung bekommen die Lehrende und Schüler*innen nun mit, was Abhängigkeit von globalen Konzernen praktisch bedeutet, denn Emotet lohnt sich nur, weil Microsoft seit Jahren Designfehler im Office Paket mitschleppt und die Politik ebenfalls seit Jahren keine deutschen/europäischen Alternativen fördert. Die deutsche Digitalindustrie setzt – wie die Autoindustrie – auf Dinosaurier Konzepte. Und das Bildungsministerium BW fördert das auch noch, wie unser Verkehrsminister auch. Traurig.